Schulter an Schulter oder jeder stirbt für sich allein …
Es ist leichter, eine eingeseifte Sau am Schwanz zu packen, als einen Aufsichtsrat zur Verantwortung zu ziehen.-H.J. Abs
Wie verhält sich Aufsicht einerseits mit der kollektiven und individuellen Verantwortung im Aufsichtsrat andererseits? Und wie verhält sich Aufsicht mit guten persönlichen Beziehungen? In diesem Artikel möchte ich mit Ihnen meine Ideen zum Thema, wie es zur Zeit in den Niederlanden geregelt ist, besprechen.
Ich bin überzeugt, dass geteiltes Verantwortungsbewusstsein in formeller Hinsicht immer eine heikle Sache ist.
Ich denke, dass Verantwortung eigentlich immer persönlich ist. Überall, wo Rechtspersonen formelle Verantwortung tragen und nicht die Personen, die es unmittelbar betrifft, kommt es zum Verwaltungsvakuum und zu einer unerwünschten Situation, die bei Stakeholdern sicher keinen „Hurra“ als Reaktion verursacht. Ich denke darum, dass die Verantwortung bei Unternehmensaufsicht so persönlich wie möglich gemacht werden muss, wodurch es nicht zur Vakuumbildung kommt. Integrität und Authentizität gehören zum persönlichen Unternehmertum und zur persönlichen Verantwortungserfahrung.
Sie werden hier sicher einwenden: wie steht es denn mit einem Protokoll? Dort steht Schwarz auf Weiß, was gesagt worden ist, und das Dokument wird übrigens auch von allen Aufsichtsratsmitgliedern paraphiert? Dass es paraphiert wird finde ich eine ausgezeichnete Idee. Aber wir könnten hier viel weiter gehen. Sicher bei Aufsichtsräten, wo Mitglieder deutlich spezialisiert sind, z.B. auf IT oder Marketing könnte die Aufsicht nach dem Prinzip einer Zweistufenrakete organisiert werden. Zuerst individuelle Gespräche des Vorstandes mit individuellen Mitgliedern des Aufsichtsrates. Wenn das Gespräch als formelles Aufsichtsgespräch des jeweiligen Mitgliedes sowie als Teil der Aufsichtsratstätigkeiten gesehen wird bekommt Aufsicht mehr einen persönlichen Charakter. Wenn es zu Meinungsverschiedenheiten kommt, dann behält das Aufsichtsratsmitglied, wessen Rat nicht gefolgt wird, sich das Recht vor, um entweder zurückzutreten oder eigene Standpunkte zu ändern, was bei wesentlichen Unterschieden doch nicht so schnell passiert. Aufsicht ist Aufsicht und keine Gewichtung von Meinungen. Diese Form würde also eine Mischung aus monistischen und dualistischen System darstellen.
Der heutige formelle Referenzrahmen bietet Aufsichtsräten genug Möglichkeiten, um damit zu experimentieren. Und wie würden Sie das erfahren, sehr geehrte Aufsichtsratsmitglieder? Um Ihre Aufsicht in einem individuellen Gespräch mit dem Vorstand des Unternehmens. d.h. in erster Linie ohne Ihre Kollegen, auszuüben?
In Wirklichkeit beobachte ich jedoch den Gegensatz: Vorgespräche mit dem Aufsichtsrat, wo diverse Standpunkte der Mitglieder abgefragt werden, um auf diese Weise zu einem gemeinsamen Standpunt zu kommen, kommen sehr oft vor. Eine menschliche Schulter-an-Schulter-Reaktion. Sie können also damit leben, und bei einem unkomfortablen Gefühl bei Nachbarn in der Nähe bleiben. Das schon, aber mit einer persönlichen Verantwortung für die Ihnen vertrauten Aufsichtsaufgaben hat es natürlich wenig zu tun. Die Grenzen Ihrer persönlichen Integrität kommen dann oft sehr schnell in Sicht. Wenn Sie fühlen, dass dieses Zweistufensystem zu kompliziert oder zu konfrontierend ist, dann finde ich, dass Sie doch nicht mit Aufsicht im wahren Sinne des Wortes sondern mit der Suche nach einem Konsensus beschäftigt sind. Im Grunde genommen nicht falsch, hat jedoch nichts mit Aufsicht zu tun. Aufsicht ist nämlich kein demokratischer Prozess.
Kommen wir nun zurück zur Frage, die ich am Anfang des Artikels gestellt habe. Ich denke, dass Aufsicht eine persönliche Sache ist, und dass allerlei persönliche Verhältnisse, wie sie für praktisch alle Expertrollen gelten, hier nicht mehr relevant sind. Wenn Sie sich davor scheuen, eigene Meinung und eigene Standpunkte zu verteidigen und gleichzeitig persönliche Verhältnisse als Erfolgskennzeichen wichtig finden, dann bezweifle ich, inwieweit Sie eigentlich für Aufsichtsaufgaben geeignet sind.
Und dann zum Schluss noch eine praktische Bemerkung für die Großunternehmen, die bei einer neuen Akquisition einen der Neuköpfe dem Aufsichtsrats beitreten lassen. Aufsichtsratsmitglieder werden immer als natürliche Personen benannt und üben die Position nie im Namen einer Rechtsperson oder einer anderen natürlichen Person aus. So steht es im Gesetz.